Ich gehe zur Mitte

GOTT IN BE-GEISTERTEN MENSCHEN

Angesichts katastrophaler Ereignisse, verbrecherischer
Kriege, schier unlösbarer globaler Probleme, mag sich
bei vielen der stille Aufschrei erheben: Wo bleibst du da,
Gott, du sollst doch allmächtig sein, geht dir das Elend 
deiner Welt nicht zu Herzen, warum bleibst du so untätig?

Da berichtet die Apostelgeschichte von deinem tätigen
Auftreten am Pfingsttag: Sturmesbrausen, Feuer-
zungen, Sprachgetöse. Am Sinai glaubte man dich 
in Blitz und Donner, im Erdbeben zu erspüren. -
Alles gewiss kraftvolle Bilder, doch nur halbrichtige 
Metaphern, da sie ja gar nichts aussagen über dein 
innerstes, unendlich liebendes Wesen, das sich erst im 
zarten „Säuseln“ des Windhauchs erahnen lässt.
Als der auferstandene Jesus zum ersten Mal den 
Jüngern erschein, hauchte er sie an: „Empfangt den 
Heiligen Geist!“ (Joh 20,22) Ein stilles, ja intimes 
Geschehen. Weitergabe einer Sendung. 
Folglich haben wir Menschen die Vollmacht und die 
Kraft, die göttlichen Absichten in der Welt zum Leuchten 
und zur Entfaltung zu bringen. So wird Gott tätig.

Da ist uns nun mit Leo XIV ein Papst geschenkt,
der seinen Auftrag genau in diesem Sinne versteht.
Seine ersten Worte über den Petersplatz waren ja
die Worte des Auferstandenen: Pax vobis, Shalom -
der Friede sei mit Euch und der Welt!
Das ist doch die blutende Wunde der Gegenwart:
Kriegsgedröhn, zertrümmerte Städte, Massengräber,
Hunger, Flüchtlingsströme. Hohnlachen der Autokraten.
Von daher der Aufschrei nach gerechtem Frieden, 
wie Gott ihn für die Menschen will.

Und so ist es Heiliger Geist, der Menschen zum 
Einsatz für diesen Shalom bewegen will – als politisch
Handelnde, als Heilende, als Lehrende, als Tröstende, 
als die Natur Schützende, als Nahrungsmittel Erzeu-
gende, als Kulturschaffende, als Medienmenschen...
und schließlich auch als Papst und jeden, der das
hier liest.
Aber um den Geistesruf zu spüren,
braucht es die Offenheit von Verstand und Herzen.
Nur so ist sein zartes „Säuseln“ zu vernehmen.

In einen Interview bekannte Sr. Karoline Meyer:
„Ich staune über die Kraft und die Macht der Liebe
Gottes in meinem Herzen, die mich nicht zurück-
schrecken lässt vor Leid und Elend, Hass, Verfolgung
und Tod, die mir hilft durchzuhalten, aber auch mit
größtem Glück erfüllt. Aber manchmal streite ich 
auch mit ihm. Ich staune über die vielen kleinen
Fügungen in meinem Leben. Ich staune, wie Gott
unter meinem Blick Menschenherzen verwandelt
hat.

Ulrich Schäfer